Im Namen Gottes, des AllmÀchtigen?
Die politische Rechte und Ultrakonservative haben inzwischen nicht nur die Lufthoheit ĂŒber die vielgeschmĂ€hten Stammtische errungen, sondern sind drauf und dran, auch die ernsthaften gesellschaftlichen Diskurse zu dominieren. Dazu mein Kommentar in den Vorarlberger Nachrichten unter dem Titel âIm Namen Gottes?â:
Der ermordete ultrarechte Aktivist Charlie Kirk wird in den USA derzeit von den Trump-Fans fast wie ein Heiliger verehrt. Die Instrumentalisierung von Religion fĂŒr seine haarstrĂ€ubenden Thesen wird akzeptiert. In der Diskussion ĂŒber HomosexualitĂ€t zitierte Kirk schon mal âGottes perfektes Gesetzâ und das Alte Testament, wo als Strafe die Steinigung vorgesehen ist. Die im BĂŒrgerrechtsgesetz verankerte Gleichberechtigung von Schwarzen nannte er einen âFehlerâ, den von Polizisten ermordeten George Floyd einen âDrecksackâ.
Missbrauch der Religion fĂŒr politische Ziele ist kein neues PhĂ€nomen. âGott mit unsâ stand auf den GĂŒrtelschnallen der Wehrmacht bei ihrem verbrecherischen Angriffskrieg und der Beihilfe zum Holocaust. âGott will esâ lautete der Schlachtruf der christlichen Kreuzfahrer bei ihren Massakern an der muslimischen Bevölkerung. Auch die brutalen EroberungsfeldzĂŒge der muslimischen Machthaber bis vor die Tore Wiens wurden mit Berufung auf Gott gerechtfertigt. Und heute rechtfertigen fanatisierte Moslems ihre GrĂ€ueltaten mit dem angeblichen Willen Gottes.
Ăsterreich spielt fĂŒr die politischen Instrumentalisierung von Religion eine zunehmend wichtige Rolle. Stichwortgeber der US-Rechten und vor allem fĂŒr VizeprĂ€sident J. D. Vance ist mit Edmund Waldstein ein Pater aus dem Stift Heiligenkreuz. Der US-Theologe H. David Bear schrieb ĂŒber die einflussreiche Gruppe rund um Vance, sie strebe einen âklerikalen Faschismusâ an, âso wie man es in Ăsterreich unter Engelbert DollfuĂ und Kurt Schuschnigg tatâ.
Ob es da ein Zufall ist, dass der der Vorarlberger Cartellverband letztes Wochenende nicht nur sich selbst, sondern auch seinen MitbegrĂŒnder Otto Ender feierte? War allen bewusst, dass der Landeshauptmann und Bundeskanzler Anfang der DreiĂigerjahre Chef-Ideologe des Austrofaschismus wurde?
Folgerichtig konnte dieser dem Nationalsozialismus âpositive Seitenâ abgewinnen: âEine nationale Erhebung geht durch Deutschland und alles erkennt ihren Wert.â Der Sozialwissenschaftler Kurt Greussing hat schon vor Jahren in der Zeitschrift âMontfortâ in gebotener Deutlichkeit auf dessen fatale Rolle hingewiesen.
Ender hatte weder fĂŒr Demokratie noch Föderalismus etwas ĂŒbrig: âEntweder haben wir eine autoritĂ€re Regierung oder wir haben den Parlamentarismus und das Parteiensystem. Das will das Volk aber nicht. Also muĂ das Volk daraus die Konsequenz ziehen und dem autoritĂ€ren FĂŒhrer gehorchen, nichts gegen den FĂŒhrer unternehmen, sondern mit ihm und fĂŒr ihn fĂŒr unser Volk und Vaterland arbeiten.â
Otto Ender war denn auch Hauptverantwortlicher fĂŒr die austrofaschistische Verfassung vom 1. Mai 1934. Sie beginnt bezeichnenderweise mit der Berufung auf Gott: âIm Namen Gottes, des AllmĂ€chtigen.â Greussing wĂ€re bei der Ender-Weihestunde des Cartellverbands wohl der ideale Referent gewesen, um eine Diskussion ĂŒber den politischen Missbrauch von Religion zu fĂŒhren.